40 Jahre Modellbahn am APG

Veröffentlicht: Donnerstag, 12. Mai 2022

von Gerd Kästel

Normalerweise hätte im Sommer 2021 die Modellbahn-AG des APG ihr 40-jähriges Bestehen mit einer großen Präsentation mit dem Thema „Höchste Eisenbahn“ gefeiert, aber was ist in Pandemiezeiten schon normal?

Die Modellbahn-AG ist ein Kind der ersten Projekttage am APG am Ende des Schuljahres 1980/81. Der Chronist lieh sich aus allen möglichen Quellen (Eltern, Kollegen, Schüler) Gleis- und Rollmaterial von Märklin zusammen, und in einem Klassenzimmer wurde der Klassiker „zweigleisige Hauptbahn in Hundknochen-Form“ mit abzweigender eingleisiger Nebenbahn auf Schultischen aufgebaut. Alle Hersteller von Modellbahnmaterial wurden zuvor mit der Bitte um Unterstützung angeschrieben und vor allem die Hersteller von Zubehör-Bausätzen zeigten sich recht spendabel, die von Loks und Wagen eher weniger, aber mit dem geliehenen und gespendeten Material konnte man schon recht viel anfangen, die Bahnhöfe und Modellhäuschen wurden im Team zusammengebaut und auf der provisorisch aufgebauten Anlage betrieblich passend platziert.

Der Erfolg des Projekts wird am besten dadurch illustriert, daß auch nach Ferienbeginn jeden Tag weiter Bahnbetrieb gemacht wurde und erst nach einer Woche die Anlage schließlich mit großem Bedauern abgebaut wurde.

Dem spontan vorgetragenen Wunsch nach einer permanenten Modellbahn-Arbeitsgemeinschaft wurde von der Schulleitung entsprochen und so konnte es im neuen Schuljahr mit viel Enthusiasmus losgehen.

Da zunächst kein eigener Raum zur Verfügung stand, bauten wir zuerst an einem Nebenbahn-Endbahnhof mit der Aussicht, diesen irgendwann in eine feste Anlage zu integrieren. Wir finanzierten unsere Aktivitäten aus monatlichen Beiträgen und Spenden und die Bahnhofsteile wurden zunächst in einer Abstellkammer zwischengelagert und jede Woche zum Weiterbau hervorgeholt.

Auf die Dauer war das jedoch keine Lösung und nach langer Suche wurde uns im APG-Keller ein Geviert zugewiesen, ziemlich genau an der Stelle, wo heute der Fechtclub sein Office hat. Mit einer Holzwand teilten wir es ab und eine alte Wohnungstür diente uns als Eingang. Endlich hatten wir nach drei Jahren ein eigenes Domizil.

Hier entstand unsere erste Anlage in L-Form mit einer doppelgleisigen Hauptstrecke, einem großen Durchgangsbahnhof mit Bw und Drehscheibe, und den bis dahin fertiggestellten Nebenbahn-Endbahnhof konnten wir am Ende einer Bergstrecke passend einbauen.
Da sich der Anlagenbau über mehrere Jahre hinzog, erstellten wir quasi „zwischendurch“ eine kleinere transportable Anlage in der damals fast vergessenen Baugröße TT (1:120), weil ich von einem Tauschpartner in der DDR das Material sehr günstig beziehen konnte.

So gerüstet, wagten wir uns am 14.1.1988 unter dem Titel „Höchste Eisenbahn“ an unsere erste schulöffentliche Präsentation. Im Keller lief unsere halbfertige Märklin H0-Anlage, die TT-Anlage hatten wir in die kleine Aula geholt, im Medienraum zeigten wir Eisenbahnfilme und im alten Musiksaal (neben dem Hausmeister-Büro) hatte Kollege Herwig Lichtenstern eine weitere Anlage „fliegend“ aufgebaut. Abgerundet wurde das Ganze durch eine Bewirtung in der Eisenbahnerkneipe „Zum krummen Puffer“.

Zum Schulfest am 1.7.89 zeigten wir die fast fertige H0-Anlage im Keller in Betrieb und am 24.4.92 gab es zum zweiten Mal „Höchste Eisenbahn“.
Einen Rückschlag erlebten wir zum Jahresende 1993, als das Neckar-Hochwasser 40cm hoch im APG-Keller stand und wir die Anlage auf alten Schultischen aufbocken mussten, um sie vor Nässe zu schützen. Ein halbes Jahr später wiederholte sich das „Jahrhunderthochwasser“ in noch krasserer Form und das Pegel stieg im Keller auf über ein Meter. Trotz erneutem Aufbocken geriet ein Teil der Anlage ins Wasser und wurde beschädigt. Die Gleise begannen schnell zu rosten.

Der Fechtclub machte uns den Raum am bisherigen Ort streitig, aber wir bekamen Ersatz an anderer Stelle, unter dem heutigen „Forum Romanum“ wurde ein leicht größerer Raum für uns durch eine Mauer von der Garderobe des Fechtclubs abgeteilt. Für den Innenausbau hatten wir selber zu sorgen.
Nach der Hochwasser-Erfahrung im Keller beschlossen wir, die alte Anlage abzubauen und stattdessen eine neue Anlage in Modulform zu erstellen, die transportabel ist und im Notfall aus dem gefährdeten Kellerbereich entfernt werden kann.

Irgendwie hatten sich unserer Modellbahn-Aktivitäten bis zur Messe Sinsheim herumgesprochen, denn im Frühjahr 1996 fragte man mich, ob ich bereit wäre, eine Fortbildungsveranstaltung für Lehrer zum Thema „Modellbahn & Schule“ auszurichten. Sponsoren stünden bereit. Das hörte sich gut an und so sagte ich zu.

Hauptsponsor neben der Messe Sinsheim war die damalige Firma Roco aus Salzburg bzw. Freilassing, die uns dann mehrere Jahre lang sehr großzügig unterstützte. Das hatte zur Folge, dass wir das Märklin-Material verkauften und auf das 2-Schienen Gleichstrom-System umstellten.
1997 hatten wir die ersten Module mit dem neuen Gleis- und Rollmaterial im Rohbau fertig und konnten sie beim nächsten Seminar „Modellbahn & Schule“ in Sinsheim bereits vorführen.

Ab 1998 waren wir dann mehrere Jahre lang regelmäßig Teilnehmer der Ausstellung „Faszination Modellbau“ in Sinsheim, wobei wir jedes Jahr eine Erweiterung zeigen konnten. Die Anlage wuchs beständig und es bedurfte allmählich einer ausgeklügelten Transportlogistik bis hin zu einem 7,5t LKW für den Transport.

Die Standard-Module mit den Maßen 1m x 0,40 sind paarweise mit Transportsicherungen versehen stapelbar und darauf können die Sondermodule wie der Hbf. und die Wendeschleife im LKW verlastet werden. Später bauten wir verschließbare Kisten für besseren Transportschutz.

Aufgebaut wird die Anlage je nach dem verfügbaren Raum nach einem vorher festgelegten Plan auf höhenverstellbaren Metallfüßen (4 Stück pro Modul) und an den genormten Gleisübergängen exakt „im Wasser“ ausgerichtet und mit Schlossschrauben verbunden. Die Elektrik wird über Spezialverbindungen zwischen den Modulen hergestellt. Der Aufbau dauert mehrere Stunden und ist immer ziemlich kniffelig.

Aber wenn die Anlage fertig aufgebaut ist, haben wir auf den Modulen recht lange Fahrstrecken und können ein gutes Dutzend Züge mit bis zu 8 Schnellzugwagen oder 15-20 Güterwagen verkehren lassen, was auf den meisten Heimanlagen kaum möglich ist und die sind dann auf bis zu 50m Gleislänge mindestens 5 Minuten lang unterwegs. Das Fahren im Blockabstand erfordert allerdings von den Bedienern ein hohes Maß an Konzentration!
Um die Mitte der Nullerjahre ergaben sich bei der Messe Sinsheim Veränderungen, die eine verkleinerte Modellbahn-Ausstellung in nur noch einer Halle erlaubte.

Alternativen boten sich uns durch Teilnahme an Ausstellungen in der Region, so z.B. in Karlsorf bei Bruchsal und Ettlingen. In regelmäßigen Abständen von 2-3 Jahren machten wir auch wieder eine „Höchste Eisenbahn“ am APG oder zeigten die Anlage im Rahmen der regionalen Leistungsschau „Live“ in dem Raum der Pattberghalle, in dem sich heute die Mensa befindet.

Als Ersatz für die TT-Anlage, deren Geleise und Weichenantriebe leider zugerostet waren und die abgebrochen werden musste, bauten wir eine zweiteilige transportable H0-Anlage „for beginners“, die rasch auf- und abbaubar ist, die sogenannte „Jugend-Anlage“.

Seit den 90er Jahren hat sich die Modellbahntechnik immer mehr in Richtung Digitalisierung entwickelt, und nach unserer letzten großen Präsentation im Analogbetrieb zum Jahreswechsel 2010/11 beschlossen wir, die Anlage „Zug um Zug“ auf Digitalbetrieb umzustellen. Wir entschieden uns für das frei verfügbare Open Source Programm „Rocrail“ und da die meisten unserer Triebfahrzeuge bereits über eine Schnittstelle verfügten, war die Ausrüstung mit Decodern kein größeres Problem. Aufwendiger war dagegen der Einbau der Digitalkomponenten und der Einbau von Rückmeldern und Modulverbindern in die Anlagenteile. Weil sich dies über mehrere Jahre hinzog, konnten wir eine Weile außer mit der Jugendanlage keine Präsentationen veranstalten.

Ende 2016 waren wir dann aber soweit, dass ausreichend Fahrstrecke digitalisiert war und es ergab sich die Möglichkeit der Vorführung in spektakulärem Rahmen bei der Veranstaltung „Lok trifft Traktor“ im „John Deere Forum“ im Mannheimer Stadtteil Lindenhof. Unsere Anlage war die mit Abstand der längsten Fahrstrecke in der Halle und um einen riesigen Traktor herum aufgebaut, es gibt davon sogar ein YouTube Video mit der Kamera-Perpektive aus dem letzten Wagen.

Nach diesem schönen Publikumserfolg zeigten wir die Anlage in den folgenden Jahren noch bei Ausstellungen in Wiesloch und Frankenthal.
In den Herbstferien 2019 hatten wir wieder „Höchste Eisenbahn“ zusammen mit den Mosbacher Eisenbahnfreunden in der neuen Aula und zum Schulfest hatten wir die Anlage im provisorischen Lehrerzimmer in Betrieb. In diesem Rhythmus – ca. alle 1-2 Jahre eine Präsentation – hätten wir gerne weiter gemacht, doch die Pandemie ließ alle Planungen zur Makulatur werden.

Ausstellungen erfordern immer unsere ganze Energie und ohne Personalhilfe von Eltern und Freunden können wir das nicht stemmen.
Wir waren und sind immer eine kleine Truppe, selten mehr als ein halbes Dutzend Aktive. Mehr können auch nicht gleichzeitig sinnvoll modellbauerischen Tätigkeiten nachgehen. Wir „spielen auch nicht ständig Eisenbahn“, sondern gestalten mit künstlerischem Anspruch Landschaften und Gebäude, verdrahten Schaltungen, programmieren Decoder und erstellen digitale Gleispläne für unseren Betrieb.

Zu Beginn in den Achtziger Jahren baute eine Gruppe aus der Klasse um Georg Schmerbeck an der ortsfesten Märklin-Anlage, auch der heutige Schulleiter des NKG, Jochen Herkert , mischte einst bei uns mit. Ab und zu traute sich auch ein Hauptschüler zu uns und ganz selten auch mal ein Mädchen. Ein Versuch mit einem Sondertermin für Mädchen in den „Nullerjahren“ am Donnerstag blieb leider ohne durchschlagenden Erfolg. Als ich sie bat sich im folgenden Schuljahr in die Freitags-Gruppe zu intergrieren, war von den Sechs nur noch eine bereit, weitermachen. Von allen Damen hat Sonja Karl am Nachhaltigsten mitgewirkt.

Ein Problem bleibt immer die Fluktuation: Kaum hat man die Schüler feinmechanisch und elektrisch angelernt, bewegen sie sich schon auf das Abitur zu und danach sind sie weg. - Gottseidank nicht alle, denn über die Zeit bildete sich ein Stamm von „Oldtimern“ heraus, die auch nach dem Ende ihrer APG-Schulkarriere bei der IG Modellbahn (so heißen wir seit den 90er Jahren) blieben und über die Jahre zum Stammpersonal wurden. Zu dieser Riege zählen Markus von Nauman, Johannes Rapp, Jonathan Lubach und Sven Zänger und in jüngster Zeit David Endlich und Benno Huber.

Trotz Versetzung an eine andere Schule blieb uns auch Musik-Kollege Herwig Lichtenstern erhalten und rückt nach wie vor jede Woche per ÖPNV zum Basteltermin an.

Im Mai 2021 starb völlig unerwartet unsere langjähriges Mitglied Sven Zänger mit nur 44 Jahren. Seit seinem Eintritt in die IG in den 80er Jahren hatte er seine Modellbau-Fertigkeiten immer weiter vervollkommnet und sich zum Allround-Spezialisten für Landschaftsbau, Fahrzeugumbauten und Digitalisierung entwickelt. Er hinterlässt eine große Lücke.

Die Pandemie verhindert seit nunmehr zwei Jahren auch eine kontinuierliche Nachwuchsarbeit, derzeit ist Simon Schmerbeck – der Sohn eines der Gründungsmitglieder – der letzte aktive APG Schüler, alle anderen sind „Oldies“ und Freunde.

Wie es weitergeht, ist leider völlig offen. Noch können wir trotz dünner Personaldecke langsam weiter bauen, aber ohne eine neue Leitung der IG Modellbahn ist irgendwann einmal „Ende Gelände“.

Das wäre schade.